Anwendungsmöglichkeiten für Autogenes Training

Alles was Entspannung und Versenkung leisten können, kann der Übende mit dem Autogenen Training erreichen. Folgende Aspekte verdienen dabei eine genauere Aufmerksamkeit:

Entspannung als Erholung

Die meisten spüren schon in den ersten Wochen des Trainings ein erhöhtes Wohlbefinden und eine deutliche Erfrischung. Auch Phasen kurzer Müdigkeit können mit dem Autogenen Training aufgefangen werden. Dennoch sollte die Trainingseinheit anfangs nicht im müden Zustand durchgeführt werden, da das Autogene Training am besten wirkt wenn man frisch ist. Sehr sinnvoll ist der Einsatz des Autogenen Trainings zum Beispiel bei langen Lernphasen während einer Prüfungsvorbereitung. Die Ruhepausen werden hierbei als aktive Erholung durch das Autogene Training genutzt. Die typische Spannungszunahme bei anhaltenden Lernvorgängen wird dadurch unterbrochen und der Lernende zurück in einen mittleren Spannungszustand versetzt. Auch bei Menschen mit niedrigem Blutdruck und solchen die unter beruflicher Dauerbelastung leiden, wirken die Ruhepausen mit Autogenem Training beruhigend und entspannend.

Resonanzdämpfung der Affekte (heftige Erregungen)

Aufgrund der deutlichen Einwirkung des Autogenen Trainings auf die Spannungszustände von Willkür‑, Eingeweide- und Gefäßmuskulatur, indem es diese verringert und dadurch wieder reguliert, entsteht eine entsprechende Resonanzdämpfung genau an den Punkten, wo die Affekte die Spannungszustände erhöht haben. Die Entspannung sorgt dafür, dass die Affekte weniger heftig ausfallen und die Reaktionen gedämpfter verlaufen. Vernunft und Verstand werden von den Affekten nicht mehr überladen und bleiben aktionsfähig. Die Wirkung der Affekte wird soweit gedämpft, dass der von ihnen Betroffene Stellung zu ihnen beziehen kann und Abstand zu ihnen gewinnt.

Veränderung des Umgangs mit dem eigenen Körper

Mit zunehmender Anwendung des Autogenen Trainings nimmt der Übende seinen Körper bewusster wahr. Er verspürt körperliche Veränderungen, wie beispielsweise durch Stress ausgelöste Verkrampfungen der Muskulatur, viel früher und kann diesen Anspannungen eher entgegensteuern. Höchstspannungszustände der Muskulatur werden dadurch kaum noch erreicht und das körperliche Befinden verbessert sich stetig. Die Grundvoraussetzungen für eine positive Einstellung zum eigenen Körper nehmen hier ihren Anfang.

Selbstregulierung sonst unwillkürlicher Körperfunktionen

Viele körperliche Beschwerden werden durch das vegetative Nervensystem hervorgerufen. Beispielsweise bewirkt das vegetative Nervensystem bei einer stärkeren Aufregung eine Veränderung des Herzschlags und der Atemfrequenz. Hier führt die Anwendung des Autogenes Trainings mit der bekannten positiven Einflussnahme auf das vegetative Nervensystem zu einer Regulation von Herzschlag und Atemfrequenz und lindert dadurch die hervorgetretenen körperlichen Beschwerden oder beseitigt sie sogar ganz.

Bewältigung von Stress

Das Autogene Training bewirkt nach entsprechender Trainingsphase eine Reizdämpfung heftiger Erregungszustände (Affekte), die oft Grundlage für Stress bilden (Faktoren für Stress = Stressoren). Insbesondere Daueraffekte werden in ihrer Resonanz gedämpft, sodass psychische Fehlverhaltensweisen vermieden werden. Bei lang anhaltenden Überlastungen sorgt das Autogene Training für aktive Ruhe und Entspannungsphasen. Es hat regulierenden Einfluss auf das vegetative Nervensystem und dient daher zur Erhaltung der Angleichung der verschiedenen physiologischen Funktionen des Organismus. Der entspannende Effekt des Autogenen Trainings führt dazu, dass der unter Stress leidende Mensch ungestört durch äußere Einwirkungen (z.B. Stressoren), durch Überdenken, Ordnen und Bewerten der dem Stress zugrunde liegenden Vorgänge, entlastet wird. In der Entspannung gefasste Vorsätze (vgl. Vorsatzbildung im Autogenen Training) werden konsequenter in die Tat umgesetzt und führen so zu einer Veränderung der Stressreaktionen.

Leistungs-​Steigerung

Durch die regelmäßige Anwendung des Autogenen Trainings mit den vorher schon erwähnten Effekten stehen dem Körper mehr Kraft- und Energiereserven zur Verfügung, welche nun gezielt zur Steigerung der beruflichen oder auch sportlichen Leistung genutzt werden können.

Der gezielte Einsatz der Vorsatzbildung zur Stärkung des Selbstbewusstseins sowie zur intensiven Konzentration auf die eigenen Fähigkeiten ist ein weiteres sinnvolles Mittel zur Stärkung der geistigen, beruflichen und sportlichen Leistungsfähigkeit.

Schmerzerleichterung

Das körperliche Befinden wird durch die gezielte Einflussnahme des Autogenen Trainings auf das vegetative Nervensystem verbessert. Vorsatzformeln helfen bei der Schmerzbeseitigung durch das Nutzen von kühlenden oder erwärmenden Vorstellungen. Zusätzlich bewirkt die Bewusstseinseinengung beim Autogenen Training, dass ganze Bereiche des Körpers, durch die verstärkte Konzentration auf andere Körperteile, weniger intensiv wahrgenommen werden. Auch die beim Schmerz oft entstehende Schmerzspirale (Schmerz – Angst – Schmerz) kann durch die Resonanzdämpfung geschwächt oder unterbrochen werden.

Grenzen und Kontraindikationen des Autogenen Trainings

Obwohl Gegenanzeigen im allgemeinen Sinne für das Autogene Training nicht bekannt sind, ist nicht bei allen Erkrankungen die Behandlung mit dem Autogenen Training gleichermaßen zu empfehlen.

Dies gilt beispielsweise für Personen mit Neigungen zur Epilepsie, Herz- und Kreislaufbeschwerden oder Migräneanfällen, bei denen die Grundübungen individuell angepasst werden müssen.

Grundvoraussetzung ist, wie bei der Progressiven Muskelentspannung, dass der Übende in der Lage ist, Anordnungen Folge zu leisten und die Fähigkeit besitzt, sich zumindest für wenige Minuten konzentrieren zu können.

Bei Psychotikern oder präpsychotischen Zustandsbildern ist die Entspannung sinnlos und kann sogar Wahnvorstellungen fördern.

Schwere Zwangszustände verhindern von sich aus jegliches Entspannungstraining. Hierbei kommt es aufgrund der vorhandenen Kontrollzwänge zu einem „Hängenbleiben“ in der gerade durchgeführten Übung. Ein Weiter gleiten in die nächste Übung wird dadurch unmöglich.

Nach einer Psychotherapie, die die Fähigkeit loszulassen deutlich verbessert hat, kann an ein Training in geringem Umfang gedacht werden.

Bewusstseinseinengungen, hervorgerufen durch Medikamente oder Depressionen, sind ein großes Hindernis für jeden Lernprozess, sodass auch hier mit wenigen Ausnahmen ein Entspannungstraining eher sinnlos erscheint.

Grundsätzlich sollten alle, die sich in psychiatrischer Behandlung oder in einer Psychotherapie befinden, Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten über die möglichen Entspannungsmethoden halten.